Das Fahrrad und insbesondere E-Bikes erfreuen sich zunehmender Beliebtheit in Deutschland. Seit 2012 wuchs laut Zweirad-Industrie-Verband e.V. der Bestand an Fahrrädern und E-Bikes um beachtliche 11,8 Millionen Stück an. Das ist gut fürs Klima. Denn durch den Umstieg aufs klimafreundliche Zweirad für den Weg zur Arbeit, Schule oder in der Freizeit werden schädliche Emissionen eingespart und die Verkehrswende vorangetrieben. Ganz im Sinne der Bundesregierung, die die Förderung des Radverkehrs sogar im Klimagesetz festgeschrieben hat. Leider zeigt sich das erhöhte Radverkehrsaufkommen auch in der Unfallstatistik. Seit 2000 hat sich der Anteil von Radfahrerinnen und Radfahrern an den Verkehrstoten laut Destatis nahezu verdoppelt.
Doch was tun, um schwere Unfälle zu verhindern?
Ein Weg ist: Informationen zu leichteren Unfällen und gefährlichen Situationen systematisch sammeln, analysieren und Maßnahmen an Hotspots ergreifen! Denn der anerkannten Theorie nach Hyden (Sicherheitspyramide) zufolge deutet ein gehäuftes Auftreten vorgenannter Ereignisse auf ein erhöhtes Unfallrisiko. Aber wie lässt sich diese Theorie in der Praxis anwenden? Zumal viele leichtere Radfahrunfälle passieren, ohne dass die Polizei hinzugezogen wird. Die Mobility Urban Safety Intelligent Cloud (MUSIC) sammelt täglich Daten zu eben diesen gefährlichen Ereignissen. Neben offiziellen Unfalldaten laufen wichtige Hinweise aus der Bevölkerung über das Portal/App „gefahrenstellen.de“ ein. Hinzu kommen weitere Daten wie anonymisierte Kfz-Bremsdaten. Die wissenschaftlich fundierte Gefahrenscore-Methodik (FeGiS+) bewertet alle Daten und gibt sie in einer deutschlandweiten Gefahrenstellenkarte aus. Im SMART-Portal können die Daten von kommunalen und behördlichen Organisationen auf konkrete Fragestellungen hin analysiert werden.
Analyse-Beispiel zur Früherkennung kritischer Radfahr-Stellen in SMART
Das Institut für Straßenwesen (ISAC) an der RWTH Aachen hat die von ihr entwickelte SMART-Frühindikatoranalyse auf das Stadtgebiet Aachen angewandt. Analysiert wurden Orte, die für Radfahrer gefährlich sind. Über den Button „Frühindikator“ wurde das Filterergebnis dann weiter verfeinert. Dieser markiert Orte, an denen das Unfallgeschehen bislang unauffällig ist, aber hohe Scores bei Usermeldungen und Kfz-Bremsungen vorliegen.
Durch die Analyse geriet die Zufahrt zu einer Schnellstraße in den Fokus, an der sich eine vorfahrtberechtigte Rad- und Fußgängerquerung als kritisch herausstellte. Neben den Usermeldungen deutete auch die vergleichsweise hohe Anzahl scharfer Pkw-Bremsungen auf Konflikte hin. Dabei merkten die User die schlechte Sichtbeziehungen zwischen kreuzendem Rad- und Kfz-Verkehr an. Die zu schnelle Beschleunigung der Fahrzeuge verschärfte zusätzlich die Gefahrenlage an dieser Querung, was eine dreiwöchige Videoaufzeichnung durch das ISAC bestätigte. Die Kamera zeichnete Beinahe-Unfälle auf, bei dem entweder das Fahrzeug scharf bremste oder knapp am Radfahrenden vorbeifuhr.
Fazit
Natürlich ist das frühzeitige Aufdecken eines kritischen Straßenabschnitts nur der erste Schritt zu mehr Sicherheit. Wichtig ist, nach Erkennung der Problemlage eine passende Entschärfungsmaßnahme umzusetzen. Im genannten Beispiel wurden kurzfristig Maßnahmen wie bspw. Grünschnitt ergriffen, die die Sichtbeziehung unter den Verkehrsteilnehmenden verbesserte. Derzeit wird im Rahmen eines Forschungsprojektes des ISAC geprüft, ob mittelfristig hier ein neuartiges Lichtsystem getestet werden kann, das KFZ-Fahrende zu einer Reduzierung der Geschwindigkeit veranlassen soll.
Die automatisierten SMART-Analysen liefern wichtige Kennzahlen für die tägliche Verkehrsarbeit von Kommunen, Behörden und Ingenieurbüros. Durch proaktives Handeln können schwächere Verkehrsteilnehmende wie Radfahrende aber auch Fußgänger besser geschützt werden.